Eltern – Burnout: Ein Tabuthema. Während das Burn-out mittlerweile schon ihren Weg in die Gesamtbevölkerung gefunden hat und fast schon ein „Statussymbol“ geworden ist dafür, dass man sich seinem Beruf vollkommen hingibt und sich dafür verausgabt, ist das Eltern-Burnout immer noch ein Tabuthema. Heute möchte ich mit dir darüber sprechen – und mit einigen Vorurteilen aufräumen. Los geht’s!
Inhaltsverzeichnis
Was ist Burnout?
Burnout-Selbsttest
Prävention | Tipps
Hier bekommst du Hilfe!
„Ich kann nicht mehr!“ – Wenn Mama ausbrennt
Retretting Motherhood ist seit Jahren in aller Munde: Wenn Frau es bereut, Mutter geworden zu sein, dann kann auch ein Burn-out dahinterstecken. Schlimmer noch, eine Depression. Aber wie zeigt sich ein Eltern-Burnout (es kann Väter wie Mütter gleichermaßen treffen) und was steckt dahinter? Fragen mit denen ich mich gerade in den letzten Monaten beschäftigt habe.
Auf den Schultern von uns Eltern lastet viel: die Ansprüche der Leistungsgesellschaft an uns als Eltern und Berufstätige, der Leistungsdruck der Schule wird über die Kinder an uns weitergegeben, immer mehr soll in immer weniger Zeit erledigt werden und wenn es dann zu einem kleinen Einbruch im System kommt, ist das Burn-out nicht weit.
Es sind meist die eigenen Ansprüche, an denen perfektionistisch veranlagte Eltern scheitern!
Stephanie Hefti, Psychologin
In den letzten Monaten mussten wir Eltern bedingt durch das Covid-19 Virus und den damit verbundenen Lockdown im März nicht nur mit der Doppelbelastung Beruf und Familienleben klarkommen, sondern auch noch weitere Rollen ausfüllen: die des Lehrers, des Psychologen (Kinder auffangen in der Krise), des Freundes, wenn Kinder ihre Mitschüler und Freunde nicht mehr sehen durften und viele mehr. Die Isolation machte allen zu schaffen, doch was ist also noch normal und wann sprechen wir vom Burn-out?
Was ist Burn-out?
Müde, kraftlos, irgendwie völlig am Ende – immer mehr Müttern und Eltern sind im Hamsterrad zwischen Kindern, Beruf und Haushalt gefangen. So ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr von ihnen unter Burnout-Symptomen leiden. Dabei ist Burn-out, zu deutsch „ausbrennen„, keine medizinisch anerkannte Diagnose. Wir meinen damit einen Zustand der persönlichen Krise als Reaktion auf anhaltenden Stress und Überlastung. Man könnte fast sagen, es umfasst u.a. Symptomen der Erschöpfungsdepression:
- ein psychisch-physischer Erschöpfungszustand mit Konzentrationsproblemen, permanenter Müdigkeit, Mattigkeit und Kraftlosigkeit
- anhaltender Stress (Dauer-Dysstress) und Überforderung (Bereich Beruf | Familie)
- Lustlosigkeit, Frustration oder Gereiztheit
- tiefe Identitätskrise mit Ursprung in zu hohen Erwartungen und gefolgt von dem Gefühl des Versagens und der Sinnlosigkeit
- Gefühl von Überforderung und Angst, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein
- mangelndes Interesse am Beruf bzw. der Familie
- Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die man normalerweise schön finden würde
- Emotionale Distanz zum eigenen Kind
- Depersonalisierung
Entnommen aus den 22 Fragen des MBI – Maslach Burnout Inventory und von Burnoutparental.com – Symptoms
Buchtipp: Der Supermutti Burnout – Mittelmäßig ist das neue perfekt*
Wer sich die Symptome also einmal durchliest wird erkennen, dass sie denen der Depression (aus unserem Artikel) sehr ähneln. Die Grenzen zur Depression sind fließend und gerade wenn Sätze fallen wie „Ich kann zu meinem Kind einfach keine Bindung aufbauen, geschweige denn Liebe ihm gegenüber aufbringen.“ sollte man hellhörig werden.
Der schmale Grad zwischen Burnout und Depression
Mit diesen psychischen Symptomen können übrigens auch körperliche Symptome einhergehen, darunter Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verspannungen, Rückenschmerzen, Engegefühle in Brustkorb und Hals, Atemnot (Panikattacken), Libidoverlust, atypische Gewichtsveränderungen, Magen-Darm Probleme, eine Anfälligkeit für Infekte und ein schwaches Immunsystem und weitere. Das macht die Situation für die Betroffenen natürlich nicht einfacher, wenn sie bereits mit ihrem Alltag überfordert sind und an ihre Grenzen kommen.
Der Eltern-Burn-out Selbsttest
Du erkennst dich in den genannten Symptomen wieder? Du hast das Gefühl, dauergestresst zu sein und dass dir immer weniger gelingt, obwohl du dich immer mehr anstrengst? Du fühlst dich ausgelaugt? Dann könnte es sein, dass du nicht nur gestresst bist, sondern bereits im Burn-out. Der Grad zwischen Stress und Burnout ist sehr schmal und wer sich nicht rechtzeitig um Erholung und Gegenmaßnahmen gegen den Stress kümmert, der kann ins Burn-out rutschen. Und sind die gesundheitlichen Probleme erst einmal da, ist es gar nicht so einfach, aus dieser Spirale wieder raus zu kommen. Aber wie erkennst du jetzt, ob du gefährdet bist oder vielleicht bereits unter einem Burn-out leidest?
Immer schneller, höher, weiter – der Anfang vom Ende?
Noch gibt es keine einheitliche Methode, um ein Burnout-Syndrom zu diagnostizieren. Das am häufigsten eingesetzte Messinstrument ist das Maslach Burnout Inventory (MBI). Hier wird anhand eines Fragebogens mit 22 Fragen ermittelt, ob und wie stark der Betroffene unter Burnout-Symptomen leidet. Dabei geht es um Themen wie die emotionale Erschöpfung, eine reduzierte Leistungsfähigkeit und Veränderung der Persönlichkeit.
Burn-out vorbeugen: Das kannst du tun!
Burn-out beginnt nicht über nicht und ist auch nicht urplötzlich da, nur weil du gerade in einer stressigen Phase bist. Solange nach Stress eine Phase der Entspannung folgt, ist alles gut. Burn-out ist ein schleichender Prozess: Er beginnt langsam und kaum spürbar, doch irgendwann hört die Anspannung nicht mehr auf und alles wächst dir über den Kopf. Denn das Familienleben erfordert immer viel Organisation, Verantwortung und Nervenstärke. Doch gerade aktuell müssen wir Eltern noch mehr davon aufbringen, als üblich.
Deshalb ist es wichtig, dass du jetzt einem Ausbrennen vorbeugst und dir bewusst im Alltag Zeit für dich und deine Bedürfnisse nimmst. Je früher, desto besser! Nur so kann dein Körper nach einem stressigen Tag wieder auftanken und du hast die nötige Energie mit den stressigen Situationen des Alltags klarzukommen, z.B. wenn die Kinder gerade schreiend durch die Wohnung toben. Was also kannst du präventiv tun?
Entspannung suchen
Spüre regelmäßig in dich hinein und frage dich, was du gerade brauchst und wie es dir geht. Nimm dir Zeit für dich, denn auch wenn du es vielleicht gerade nicht glauben magst, die Welt geht nicht unter, wenn du einmal eine halbe Stunde nicht für alle zur Verfügung stehst.
Worin findest du Entspannung? Ich finde meine Ruheoasen bei einer Meditation und beim täglichen Yoga. Vielleicht malst du gerne? Oder hörst Musik? Oder möchtest du einen Spaziergang machen? Egal was es ist, was dir gut tut: Nimm dir regelmäßig die Zeit dafür – und verzichte auf Ausreden!
Nimm Hilfe an!
Die Anspannung steigt zunehmend: Hausaufgaben, Fernunterricht, vielleicht Konflikte Zuhause, große Unsicherheit, Streit, Überlastung, erlebt soziale Isolation und so weiter. Wenn du das Gefühl hast, damit nicht mehr umgehen zu können, dann nimm Hilfe an! Du musst das alles nicht alleine stemmen. Sprich mit deinem Partner darüber oder vielleicht gibt es in deiner Familie oder deinem Freundeskreis jemanden, der dir die eine oder andere Aufgabe abnehmen kann. Und vor allem, verabschiede dich davon, alles perfekt machen zu wollen!
Verabschiede dich vom Perfektionismus!
Sei weniger streng zu dir selbst: Es darf auch mal ein Fertiggericht sein – und wenn du abends einfach mal zu müde zum Vorlesen bist, sind dir deine Kinder auch ganz bestimmt nicht böse. Wenn du diese Symptome nämlich einfach ignorierst und weiterhin versucht, etwas zu erreichen, was du nicht erreichen kannst (niemand kann alles perfekt machen!) dann streikt irgendwann deine Seele – und dein Körper!
Lerne Nein zu sagen!
Etwas, was ich immer noch nur sehr schwierig kann und an dem ich jeden Tag arbeite: das Nein sagen! Diesem Thema werde ich auch noch einen eigenen Blogartikel widmen. Wir sollten jedoch alle lernen, in uns hinein zu hören, bevor wir zu etwas „Ja“ sagen. Schließlich haben wir alle nur eine begrenzte Zeit und wenn wir zu etwas neuem Ja sagen, musst du dafür zu etwas anderem Nein sagen. Wenn nicht, dann erreichst du irgendwann eine Grenze, an der du nicht mehr weiterkommst.
Weniger tun klingt banal, doch es fällt den meisten Menschen schwer, mit etwas aufzuhören oder zu etwas Nein zu sagen. Da nehme ich mich nicht aus, Wir fürchten den Verlust, wenn wir auf etwas verzichten und können oft auch dann noch nicht Nein sagen, wenn wir bereits in Arbeit und Verpflichtungen ersticken.
Dich kreativ austoben
Zu etwas darfst du allerdings JA sagen, zu deiner Kreativität. Vielleicht hast du Lust auf eine neues kreatives Hobby wie dem Handlettering, Karten basteln oder malen? In unserer Rubrik „Bastelideen“ findest du jede Menge Inspiration. Ich erfreue mich immer wieder am doodln und lettern. Und da kann ich dir auch gleich ein paar tolle Buchtipps dazu mitgeben:
Der große Handlettering Workshop
Handlettering. Der Quick-Start-Block
Handlettering Alphabete – Das Übungsheft
Handlettering: Die Kunst der schönen Buchstaben
Aktiv bleiben, trotz Lockdown
Die Coronapandemie hat die Welt fest im Griff, doch gerade körperliche Bewegung ist ein wichtiger Gegenpol im stressigen Familienalltag. Dabei muss es kein Hochleistungssport sein, ein Spaziergang am Tag reicht aus. Doch regelmässige Bewegung in der frischen Luft tut einfach gut und hilft Körper und Seele, zur Ruhe zu kommen. Und wenn du Lust hast, schwing dich aufs Fahrrad oder rocke Zuhause zu deinen Lieblingssongs ab.
Gerade die Bewegung und Entspannung, die du aktiv für dich einplanst (z.B. in deinem Bullet Journal) geben deinem Tag Struktur – und das ist in unsicheren Zeiten wie diesen besonders wichtig. Schnapp dir deine Kinder und macht gemeinsamen einen Spaziergang im Wald. Oder macht mit dem Roller eine Runde – die Sonne tut gut, besonders in den kommenden Wintermonaten.
Du siehst, es gibt einiges, was du vorbeugend tun kannst damit du nicht in der absoluten Erschöpfung endest. Bitte gib auf dich acht – denn nur ein gesundes Elternteil kann für seine Kinder da sein!
Fazit
Zusammenfassend kann man also sagen, dass jeder von uns seine ganz persönlichen Stressoren im Alltag hat. Diese sollten wir versuchen, so gering wie möglich zu halten und können einige Dinge dafür tun, damit unser Familienleben etwas nervenschonender abläuft. Dazu zählt in erster Linie, die eigenen Erwartungen an sich selbst (Perfektionismus) aufzugeben, sich auch helfen zu lassen, sich nicht zu viel vorzunehmen sondern realistische Ziele und Pläne setzen (z.B. im Bullet Journal – wo du auch gleich kreativ sein kannst) und dir auch Freiräume und Zeit für dich einzuplanen. Ein Tapetenwechsel ab und zu tut gut, ob draußen beim Waldbaden oder wo auch immer du gerne abschaltest. Wir alle sollten auch lernen, Nein zu sagen, wenn wir nicht mehr können – auch wenn unsere Kinder noch so laut toben und schreien.
Achte auf dich und die ersten Anzeichen von Dauerstress. Dann kannst du schnell handeln und deine Lebensgewohnheiten zum Positiven verändern. Und wenn du schon an einem Punkt bist, wo du nicht mehr weiter weißt und Hilfe brauchst, dann such dir Hilfe! Hier findest du Anlaufstellen in Südtirol:
Anlaufstellen – Hier bekommst du Hilfe!
- bei deinem Hausarzt
- in den psychiatrischen Diensten der Krankenhäuser
- in den psychologischen Diensten der Sprengel und Krankenhäuser
- in den Zentren für psychische Gesundheit (telefonisch oder persönlich ohne Vormerkung)
- in den Familienberatungstellen (siehe hier)
- bei der Emotionalen Ersten Hilfe Beratung für Eltern (siehe hier)
- bei der Caritas Telefonseelsorge unter +39 0471 052 052 (24h erreichbar)
- bei der Lebensberatung der Südtiroler Bäuerinnenorganisation
- bei schweren Krisen: Aktivierung der Notfallpsychologie über die 112
Titelbild: Yuris Alhumaydy on Unsplash