Einen Auslandshund retten, das haben viele Menschen heute auf ihrer Bucket-List, schließlich möchten wir alle „gute Menschen“ sein. Heute ist es populär geworden, Hunde aus Spanien, Griechenland oder Rumänien zu retten und überall liest man den Leitslogan „adopt – don’t shop“. Ich wollte mir ein Bild machen und habe die letzten 7 Monate als Pflegestelle aktiv mitgeholfen und Tierschutz betrieben. Doch helfen wir den Tieren mit einer Adoption wirklich? Und ist ein Tierschutzhund wirklich für Jedermann geeignet? Heute möchte ich dich an ein paar persönlichen Gedanken zum Thema Tierschutz teilhaben lassen. Los geht’s!
Lesetipp: Seriöser Tierschutz – Es gibt ihn!
So wurde ich Pflegestelle im Tierschutz
Vor etwa einem Jahr habe ich mich als Pflegestelle beworben. Ich wollte helfen und unsere Hündin Susi gibt mir so viel; davon wollte ich etwas zurückgeben. Ich habe mich also nach Vereinen und Tierschützern vor Ort umgehört und einige Gespräche geführt, bis ich mich für eine Organisation entschieden habe. Dort habe ich mich beworben und wurde selbst „geprüft“: Nach einem ausführlichen Gespräch und einem Besuch bei uns Zuhause gab es das OK: Wir sind als Pflegestelle geeignet. Das war der Beginn eines spannenden, interessanten und intensiven Abenteuers.
Lesetipp’s: So erkennst du einen seriösen Tierschutzverein
Zooroyal – Tierschutzverein: Schwarze Schafe erkennen
Tierfreund.de – So erkennst du seriöse Tierschutzvereine
MrsVerde – Woran erkenne ich einen seriösen Verein?
Das Lieblingsrudel – Seriöser Auslandstierschutz
Bei der Auswahl des Vereins, mit dem ich zusammenarbeiten möchte, habe ich natürlich darauf geachtet, dass er seriös ist. Das ist gerade im (Auslands-) Tierschutz besonders wichtig – und darauf solltest auch du achten, wenn du es in Betracht ziehst, Pflegemama für Hunde oder Katzen zu werden. Stelle im Gespräch Fragen, z.B. Mit welchen Papier kommt der Pflegehund zu dir? Sind die Tiere geimpft? Werden nur Welpen vermittelt? Wie arbeitet die Organisation vor Ort? Handelt es sich um einen Verein? Ist er in einem Register eingetragen?
Gerade diese Fragen sind besonders wichtig, denn wer Tierschutz betreiben möchte, sollte auf keinen Fall die „Hundemafia“ unterstützen. Leider gibt es immer noch viele Menschen, die Hunde aus dem Kofferraum kaufen, obwohl das Tierschutzhunde-Thema seit Jahren allgegenwärtig ist und Aufklärung betrieben wird. Dennoch steht auch der (Auslands-) Tierschutz immer wieder unter Kritik. Mehr dazu – und ganz unterschiedliche Standpunkte – kannst du hier nachlesen:
Fiffibene – Blog kein Hund aus dem Auslandstierschutz!
Fisch & Fleisch – Hunde aus der Nothilfe? Nicht für mich, bitte!
Tierfreund.de – Wie hilfreich ist der Import von Straßenhunden?
Ein Hund aus dem Ausland – sinnvoll oder nicht?
Ob die Adoption von Hunden aus dem Ausland sinnvoll ist – oder nicht, darüber muss sich jeder eine eigene Meinung bilden. Ich persönlich bin nach diesen sieben Monaten, in denen ich viele freiwillige Helfer und einige Hunde kennenlernen durfte, der Auffassung: Ja! – wenn es richtig gemacht wird. Aber was heißt das?
- Suche nach einem seriösen Verein, der die Vermittlung übernimmt
- Der Verein klärt den zukünftigen Hundehalter über den Hund und dessen Eigenarten auf
- Die Vermittlung passiert unter der Voraussetzung, dass auch vor Ort an der Ursache des Problems gearbeitet wird (damit meine ich aber nicht, dass Straßenhunde und Streuner einfach vor der Straße geholt und getötet werden)
- Hund und Mensch müssen zusammenpassen
- Ich muss akzeptieren, dass wir eben nicht alle Hunde retten können!
Trotz allem ist eine Adoption eines Hundes aus dem Ausland bzw. aus dem Süden immer mit einer gewissen Unsicherheit, nicht nur auf Seiten des zukünftiges Halters, verbunden. Diese Erfahrung habe auch ich im letzten halben Jahr machen dürfen, das voller Überraschungen war.
Ein Tierschutzhund ist wie ein Ü-Ei,
du weißt nie so genau, was du bekommst!
Wenn du einen Hund nur aufgrund seines Bildes, seiner Erscheinung – und hoffentlich mit einer kurzen Charakterbeschreibung – auswählst, weißt du trotz allem nie ganz genau, wer dich da erreicht: Ist dein Hund selbstsicher? Ängstlich? Wird er schon bald mit dir durch Wald und Wiesen spazieren oder sich die ersten Tage oder Wochen gar nicht aus seiner Box trauen. Ein Hund kann sich je nach Umfeld ganz unterschiedlich entwickeln und kann sich auf seiner Endstelle auch mal ganz anders zeigen, als er es im Rifugio (oder bei dir auf der Pflegestelle) gemacht hat. Das macht die Vermittlung und die Adoption immer spannend – und ich als Pflegestelle kann nur mein nach bestem Wissen und Gewissen für den Pflegehund entscheiden!
Wir hatten in den letzten Monaten wirklich alles dabei: Von Tracy und Moka, die innerhalb weniger Tage stubenrein waren, mit uns zum Spazieren und Schwimmen gegangen sind und einfach Spaß am Leben hatte bis zu Macchia: Sie ist ein wundervoller Hund – aber sehr sensibel. Ihr haben die lange Autofahrt, die neue Umgebung und die fremden Gerüche und Menschen sehr zugesetzt. Macchia wollte die erste Woche gar nicht aus ihrer Zimmerecke raus und hat sich dort eingenässt. Und so wurde auch ich in den letzten Monaten immer wieder gefragt, warum ich mir das eigentlich „antue“ – und warum ich überhaupt Hunde aus Süditalien zu uns nach Südtirol hole.
Eine Pflegestelle = eine Chance für Hunde aus dem Süden!
Mein Anliegen mit diesem Blog-Beitrag ist es nicht, über Sinn und Unsinn von Adoption aus dem Ausland bzw. aus dem Süden zu debattieren, sondern ich möchte dir einen kleinen Einblick in meine Erfahrungen und meine Gedanken geben. Und während ich noch vor etwa einem Jahr der Meinung war, Tierschutz macht durchaus Sinn, aber nur, wenn nur Welpen und leicht-vermittelbare Hunde (schließlich gab es von den anderen, verhaltensauffälligen Hunden bereits genügend bei uns in den Tierheimen) zu uns geholt werden, bin ich heute etwas anderer Meinung.
Die ersten Tage wird auch ein selbstsicherer Auslandshundwahrscheinlich erst einmal ängstlich und zurückgezogen reagieren – und diese Zeit solltest du deinem Neuankömmling auch geben!
In den letzten sieben Monaten habe auch sehr ängstliche Hunde ihren Weg zu mir gefunden und das hat mein strenges Schwarz-Weiß denken ins Wanken gebracht. Haben sie wirklich keine Chance verdient, weil sie nicht ganz einfach zu vermitteln sind? Weil sie vielleicht krank sind? Oder weil sie ein Trauma erlebt haben?
Es gibt verschiedene Gründe, im Ausland nach Hunden zu suchen. In deutschen Tierheimen findet Familie Müller zu 90% einen 5 Jahre alten Schäferhund , der bereits 10x zugebissen hat – oder einen Kampfhund der unter seinem Ruf leidet. Ganz selten findet man dort kleine, niedliche Familienhunde – außer man holt sie aus dem Ausland. Dort gibt es haufenweise toller Familienhunde, die leicht vermittelbar sind, nicht kompliziert, bissig oder verhaltensauffällig. Und da macht es doch Sinn, diesen Hunden eine Chance zu geben, bevor Familie Müller sagt: Ich Tierheim finden wir nichts, also gehen wir zum Züchter!
Jochen Bendel, Holydog-Podcast
Darum glaube ich, jeder Hund hat eine Chance verdient!
Die Unterkünfte der Hunde im Ausland sind in keiner Weise mit unseren örtlichen und modernen Tierheimen – oder überhaupt einem Tierheim im herkömmlichen Sinne – zu vergleichen. Nicht selten leben mehrere hunderte Tiere in den Tierheimen, sehr häufig in Rudelhaltung. Diesen Hunden möchte ich eine Chance geben, das erste Mal in ihrem Leben zu erfahren, was es bedeutet, ein Zuhause zu haben. Geliebt zu werden. Ihr Angst oder Traumata zu überwinden und endlich ein glückliches Leben zu führen. Und dafür lohnt es sich doch, die Strapazen und die Arbeit auf sich zu nehmen, die ein Tierschutzhund mitbringen kann.
Natürlich bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass jeder Hund an jede Person vermittelt werden sollte (wie man es leider bei unseriösen Organisationen oft sieht). Der Hund, der aus dem Ausland oder aus dem Süden zu uns geholt wird, muss zur Person, zu den Umständen und zur Erfahrung, die ein Adoptant und die zukünftige Endstelle mitbringen, passen. Dann kann es auch ein ängstlicher Hund sein! Oder ein alter Hund, der eben im Süden nie eine Chance gehabt hätte, vermittelt zu werden und vielleicht auch ungesehen adoptiert zu werden. Gerade das macht meiner Meinung nach meine Arbeit als Pflegestelle aus: Die Hunde können kennengelernt werden!
So ist es für mich, Pflegemama zu sein!
Für mich ist es ein Ehre, Hunde durch diese intensive Phase ihres Lebens begleiten zu dürfen. Für die Hunde, die aus dem Rifugio bzw. Oasi kommen, ist alles neu. Sie kennen meistens keinen Staubsauger, keine Treppen und den Alltag in einer Wohnung haben sie vorher noch nicht erlebt. Ein solcher Hund weiß noch nicht, wo er Pippi machen kann und wie er sich verhalten soll. Das bedeutet für mich, ich habe die erste Zeit einen unsicheren Hund Zuhause, der viel Geduld und Zuwendung braucht. Wenn du also in Betracht ziehst, Pflegestelle zu sein, musst du dir auch sicher sein, dass du das alles emotional und physisch (zumindest über eine bestimmte Zeit – das können wenige Tage oder aber Wochen sein) schaffen kannst!
Pflegemama zu sein bedeutet viel Verantwortung, Arbeit und Zeit (z.B. Stubenreinheit trainieren, auch mal nachts aufstehen, zum Tierarzt gehen usw.) – aber auch ganz viel Freude. Ich darf hautnah miterleben, wie ein Hund langsam ankommt und auftaut. Wenn ich miterleben darf, wie ein Hund zum ersten Mal erfährt, was eine Familie und Liebe bedeutet, geht mir das Herz auf. Und ich weiß: Meine Leistung ist für das weitere Leben dieses Hundes entscheidend!
Pflegemama zu sein heißt aber auch, sich an ein Lebewesen emotional zu binden, das nicht bei mir bleiben wird. Das schafft nicht jeder – und darüber solltest du gut nachdenken. Ich baue zu jedem Hund eine Bindung auf: Ich bin für ihn da, wenn es ihm schlecht geht, wenn er unsicher ist, wenn er seine ersten mutigen Schritte in der Stadt wagt und meine Unterstützung braucht. Man bindet sich da ganz stark an den Hund – und gleichzeitig weiß man, dass es vernünftig ist, denn Hund auch wieder abzugeben. Das ist nicht immer ganz einfach, aber unglaublich wichtig!
Nun, ich könnte noch unglaublich lange über unsere Erfahrungen berichten und meine persönlichen Gedanken niederschreiben, doch für heute habe ich genug erzählt. Zum Schluss möchte ich noch einen wundervollen Text mit euch teilen:
Ein Tierschutzhund?
Es ist nicht immer leicht mit einem Hund aus dem Tierschutz, aus einer Pflegestelle oder von privaten Organisationen – und jetzt sage ich dir warum: Der Straßenhund wächst auf mit ständigen Existenzängsten. Unsicherheit. Ohne Liebe. Ohne Geborgenheit.
Wenn er versorgt wird, dann nur mit dem nötigsten; oft sind es Abfälle. Wird er nicht versorgt, bettelt er bei den Menschen um eine Mahlzeit. Doch bekanntlich behandeln viele Menschen andere Lebewesen (im Übrigen auch andere Menschen) wie Dreck wenn sie wissen, dass sie aus diesem jemand kein Nutzen ziehen können. Also wird der Hund verjagt, weggetreten und misshandelt.
Hat der Straßenhund mal ein Zuhause wird er auch gerne für die Jagd „benutzt“ oder um den Hof zu bewachen. Erfüllt er seinen Zweck nicht mehr, behandelt man ihn wie ein Produkt aus dem Supermarkt, das abgelaufen ist. Er wird entsorgt. Dann wird er einfach bei 40 Grad im Schatten irgendwo an der Landstraße oder in einem Karton ausgesetzt. Manche sind sogar so „nett“, sie bringen den Hund bis zur Auffangstation und werfen ihn dort über den Zaun!
Dort ist er nun angekommen und wartet auf ein neues Zuhause. Wäre ja nicht alles so schlimm, wenn er nicht einer von hunderten Hunden wäre, die auf ihr Glück warten. Manche schaffen es sogar. Sie finden nette Menschen, die sich dafür entschieden, einer verlorenen Seele eine Chance zu geben.
Doch dann ist es nicht immer leicht, der Hund kennt keine Kommandos, kann noch nicht alleine bleiben und vielleicht misstraut er Menschen. Es ist nicht immer leicht, warum also sollte man gerade so einen Hund adoptieren – mit dem man offensichtlich Arbeit hat? Das kann ich dir sagen:
Sie sind so treu und ehrlich. Obwohl sie teilweise wirklich schlechte Erfahrungen gemacht haben, lieben sie dich bedingungslos. Einfach weil sie noch so jede Kleinigkeit zu schätzen wissen. Anders als viele Menschen. Sie folgen dir auf all‘ deinen Wegen, selbst wenn du noch so schlecht gekleidet bist, egal wie du aussiehst und wie klein dein Geldbeutel ist – sie lieben dich.