Unsere Hündin Susi ist 2 ¼ Jahre alt und wird so langsam ruhiger; doch der Wunsch nach einem zweiten Hund kam bei mir schon vor etwa einem Jahr auf: Doch welches Hund sollte es sein? Wieder ein Mittelspitz? Oder ein Whippet, in die ich mich im Urlaub verliebt habe? Was diese Fragen mit unserer Entscheidung, einem Pflegehund einen Platz zu geben, zu tun haben, dass erzähle ich dir jetzt. Viel Spaß!
Warum ein Pflegehund?
Einer der Hauptgründe war sicher der, dass ich Hunden, die es nicht so gut haben wie unsere Hündin, helfen möchte. Doch das habe ich auch bisher mit unterschiedlichen Spenden an Tierschutz-Organisationen; warum also jetzt ein Pflegehund?
Ich hatte schon eine Weile den Gedanken, einen zweiten Hund bei uns aufzunehmen: Ich habe monatelang Rasseportraits gewälzt, unterschiedliche Hunde kennengelernt, Hundebesitzer befragt, die Für- und Wider einer Rasse abgewägt, Züchter gesucht (warum ich nach unseren Erfahrungen eigentlich einen Zweithund vom Züchter wollte, kannst du übrigens hier nachlesen) usw. Ein zweiter Hund ist aber auch eine große Herausforderung, gerade mit zwei Kindern und ich war mir nie ganz sicher: Können wir das stemmen? Falls ja, sollte es eigentlich ein Hund vom Züchter werden – bis eines Tages eine Bekannte zu mir sagte:
„Wir haben erst vor Kurzem einen Traumhund aus dem Tierheim geholt! Ein Lagotto-Romagnolo-Mix! Es gibt auch Traumhunde im Tierheim und ich vertrete die Meinung „adopt, don‘t shop.“
[amazon box=“B09MSMY5MR“]
Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Tierschutz ist unglaublich wichtig und mir schon lange ein Anliegen: Ich selbst habe eine Katze aus dem Tierheim, eine aus dem Tierschutz (Südtiroler Tierfreundeverein) und eine habe ich selbst fast erfroren im Winter gefunden, aufgepäppelt, geimpft, gechipt und behalten. Bei uns in Südtirol sind Katzen das große Thema im Tierschutz, dass es da auch Hunde gibt, die vor allem aber nicht bissig oder extrem ängstlich sind, war mir so gar nicht bewusst. Den Tierschutz habe ich also bisher vor allem mit Spenden unterstützt!
So entstand eigentlich die Idee, da ich im Moment die Kapazitäten und die Möglichkeit dazu habe, einen Pflegehund aufzunehmen und damit nicht nur einem Tier zu helfen – sondern auch das Leben mit zwei Hunden „anzutesten“. Ich wollte die Hunde „von dort“, also von den Straßen Süditaliens, kennenlernen und hoffentlich ein tolles Sprungbrett für unterprivilegierte Hunde sein. Und so haben wir, also mein Mann, ich, die Kinder und die Schwiegereltern, entschieden, uns als Pflegestelle zu bewerben. Aber wo?
Das Gefühl, einem Lebewesen, welches keinen guten Start ins Leben hatte, helfen zu können und als Pflegestelle das Sprungbrett in ein neues Leben zu sein, ist unbeschreiblich schön.
Associazione Adozione Argo und welche Tierschützer sind seriös?
Während es in Deutschland jede Menge Tierschutzvereine gibt, die Hunde aus Spanien, Rumänien usw. nach Deutschland holen, gibt es diese hier in Südtirol nicht bzw. nur wenige (Einen Blick auf den Tierschutz in Südtirol bekommst du HIER). Es war also gar nicht so einfach, überhaupt eine Ansprechperson zu finden. Anfang Juni habe ich begonnen, zu recherchieren und dafür unzählige Stunden aufgebracht: Schließlich gibt es (leider) auch genügen schwarze Schafe*: Tierschützer, die eigentlich nicht den Tieren helfen wollen, sondern die nur Geld mit dem Tierleid verdienen wollen – oder noch schlimmer: Die sogar Welpen „produzieren“ um sie als arme Hunde aus dem italienischen Süden bei uns hier zu verkaufen. Volontäre, die sich keine Gedanken um das weitere Leben der Hunde machen, sondern die nur schnell ihre „Ware“ liefern möchten schnell mit dem Geld wieder verschwinden.
* Wie schwierig es ist, einen seriösen und ehrlichen italienischen Tierschutzverein zu finden,
zeigt dieser Beitrag von Norbert Steins von Legaproanimale: „Tierschutz in Italien“
Ich habe also viel gelesen, mir durch unzählige Webseiten geklickt, Erfahrungen auf facebook gesucht, mich mit Bekannten und Unbekannten ausgetauscht, dir mir von positiven – und leider auch sehr negativen – Erfahrungen berichtet haben. Irgendwann bin ich auf eine kalabresische non-profit Organisation in Cirò Marina (KR) aufmerksam geworden, die „Associazione Adozione Argo“.
[amazon box=“B082FQCG7F“]
Die Präsidentin, Caterina Semerano, hat in den letzten Jahren Tausende von bedürftigen Hunden und Katzen aufgenommen – sie betreut, ihnen Nahrung, Fürsorge, Liebe und ein Zuhause gegeben. Die Kommentare und Erfahrungen mit dem Verein waren durchwegs positiv und auch die verschiedenen Zeitungsartikel, die ich über die Organisation gefunden habe, zeigten das Bild einer starken Frau, die nicht zweimal darüber nachdenkt, ihre Tiere aus den Fluten zu retten (schwere Unwetter mit Toten im Oktober 2018). Das hat mich unglaublich beeindruckt und für mich stand fest: Diese Organisation möchte ich unterstützen.
Nach meinen Recherchen schien die Organisation wirklich seriös und ich habe zum Glück auch eine Ansprechpartnerin in der Region gefunden. Sie habe ich kontaktiert und nur wenige Tage später kam sie uns schon besuchen, zum Kennenlernen und zur „Vorkontrolle“.
Ein Tier zu retten verändert nicht die ganze Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses eine Tier!
Das soll sie werden – unser erster Pflegehund
Am 28. Juni war es soweit: Das Kennenlernen mit Vorgespräch und Vorkontrolle unserer Wohnung. Es war sehr nett und ich habe die Ansprechpartnerin natürlich mit unzähligen Fragen gelöchert:
- Werden die Hunde tierärztlich untersucht, bevor sie nach Südtirol kommen?
- Wer kommt für die Pflegekosten auf?
- Ist der Hund geimpft, gechipt und kastriert?
- Wer übernimmt die Vermittlung und die Vorkontrollen?
- Welche Kosten kommen auf die zukünftige Familie zu, z.B. Schutzgebühr?
- Gibt es bei der Übergabe einen Pflegevertrag bzw. Schutzvertrag?
Uns wurden selbstverständlich auch Fragen gestellt: Zu unserer Hündin (sie ist beispielsweise nicht kastriert, weshalb ein Rüde nicht in Frage kommt), zu unseren Kindern, zu unserer Arbeitssituation und unserer Motivation. Es wurde nachgefragt, ob unser Vermieter einverstanden ist, ob wir einen Garten haben, ob dieser eingezäunt ist und natürlich wurde auch nach unserer Hundeerfahrung gefragt. Kurz darauf gab es dann das OK – aber wir sollten uns aber noch einige Tage Zeit nehmen, um uns die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Am 30. Juni folgte unser OK – und damit beginnt für uns bald das Abenteuer Pflegehund!
Als Pflegestelle kann ich nicht nur einem Hund aus dem Tierschutz ein Zuhause geben, sondern hoffentlich viele tolle Familien finden, sie sich einen pelzigen treuen Freund an ihrer Seite wünschen. Und eines kann ich diesen Familien versprechen: Nicht ist so ehrlich und bedingungslos wie die Liebe deines Hundes.
Silvia Rabensteiner
Die Zeit vor dem Einzug unserer Pflegehündin
Die Zeit vor dem Einzug war gar nicht lang, denn nach dem OK am 30. Juni sollte keine Woche vergehen, bis unser erster Pflegehund bei uns einzieht. Ich habe also jede freie Minute mit Lesen verbracht und eine Menge Bücher zum Thema Zweithund gewälzt – schließlich wird es für unsere Familie eine Zeit lang so sein, als hätten wir zwei Hunde.
[amazon box=“B09MSLLD3F“]
Aufregung kam dann so langsam am 3. Juli abends bei mir auf: Ich wusste noch nicht wo und wann unser Pflegling in Südtirol ankommen wird und habe mich gefragt, wie wohl unsere Hündin auf Tracy reagiert. Doch nach einem Gespräch mit meiner Hundetrainerin des Vertrauens hatte ich einige tolle Tipps in Petto und ich war gleich viel gelassener.
Am Donnerstag 4. Juli wurde es dann konkreter und ich habe gegen Mittag erfahren, wo und in etwa wann ich Tracy am Samstag abholen sollte. Außerdem gab es gleich tolle Nachrichten für unseren kleinen Pflegling, denn es hat sich bereits eine interessierte Familie gemeldet, die Tracy ein Zuhause geben möchte. Es soll bald ein Vorkontrolle gemacht werden und vielleicht zieht Tracy schon bald wieder bei uns aus – in ihr neues Zuhause auf Lebenszeit. Wir werden sehen!
Kritik am Tierschutz und an Hunden aus dem Süden
An dieser Stelle möchte ich auch einige Worte über den Tierschutz im Allgemeinen loswerden, denn immer wieder stehen Tierfreunde, die Hunden aus dem Süden helfen möchten, unter Kritik:
- Die Straßenhunde sind nicht für das Leben in der Stadt gemacht: Sie werden ihrem gewohnten Umfeld entnommen, wo es ihnen häufig gar nicht so schlecht geht und sie gefüttert werden – und werden in ein Umfeld gebracht, dass ihnen Angst macht
- Die Vermittlung von Hunden aus dem Ausland ist sinnlos, da es an der Situation vor Ort nichts ändern: Es wäre besser die Hunde einzufangen, zu kastrieren und wieder auf die Straße zu lassen. Der Deutsche Tierschutzbund sagt dazu: „Projekte, die ausschließlich auf das Retten von Tieren durch Ausfuhr zur weiteren Vermittlung in andere Länder ausgerichtet sind, sind weder kurz- noch langfristig als erfolgversprechend anzusehen. (…)“
- Dubiose Vereine nutzen den Auslandstierschutz als Deckmantel für Tierhandel
- Hunde aus dem Süden nehmen unseren Hunden, die bereits hier im Land – in den vielen Tierheimen – sind, die Chance auf ein neues Zuhause
Einige dieser Punkte sind sicher zutreffen, sofern es sich um einen dubiosen und keinen seriösen Tierschutzverein handelt. Gerade aus diesem Grund habe ich vor unserer Entscheidung jede Menge Recherche betrieben, um wirklich einen Partner zu haben, auf den Verlass ist. Leider habe ich bei den Nachforschungen, wie bereits erwähnt, auch von schlechten Erfahrungen gehört und gelesen. Ich kann deshalb nur dazu raten, immer genau zu kontrollieren, wie der Verein arbeitet und ob er eben nicht nur darauf achtet, Hunde aus dem Ausland zu vermitteln oder „zu verkaufen“ – sondern das mit der Schutzgebühr oder die Spende vor Ort eingesetzt wird (um Hunde zu kastrieren und sie gesundheitlich zu behandelt bzw. die Strukturen vor Ort zu unterstützen). Seriöse Verein investieren die Spenden vor Ort!
Auch auf den letzten Punkt möchte ich noch kurz eingehen: Ich glaube eben nicht, dass Hunde und/oder Welpen aus den Ausland den Tierheimhunden Plätze wegnehmen. Bevor unsere Hündin Susi zu uns kam, habe ich mich selbstverständlich auch vor Ort in unterschiedlichsten Tierheim umgesehen: ohne Erfolg. Liebe, verträgliche Familienhunde werden selten in Tierheimen abgegeben! Außerdem bekommen gerade Familien mit Kindern oft keine Chance auf einen Hund.
Zum Schluss möchte ich sagen: Ich bin der Meinung, der Schwerpunkt von Auslandstierschutz sollte auf Prävention und Kastration liegen. Dennoch kann man den Tieren, die bereits vor Ort – auch unter katastrophalen Bedingungen – leben, eine Chance auf ein Leben fernab der Straße geben.