In den Medien sind sie omnipräsent, die modernen Familienväter. Vatersein liegt voll im Trend und immer mehr Männer nehmen nicht nur am Geburtsvorbereitungskurs teil oder spielen abends mit Ihren Kindern – sondern sie nehmen auch Elternzeit.
Dieses Bild der „neuen Väter“ wird in der Öffentlichkeit seit einigen Jahren immer wieder propagiert, letzthin auch in einem Beitrag des KFS. Anlässlich des Vatertages habe ich mich umgehört, ob am modernen Papa wirklich etwas dran ist.
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Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die junge Generation ein wichtiges Thema, denn immer öfter müssen beide Elternteile arbeiten, um den Lebensunterhalt der Familie bestreiten zu können. Während so die Mütter immer früher wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen (müssen) – sind die Väter in der Kindererziehung gefragt.
Doch sieht es in der Realität wirklich so aus? Teilen Sie die Elternteile die Last der Arbeit ebenso auf Ihren Schultern, wie die der Kindererziehung?
Politik schafft Rahmenbedingungen
In den letzten Jahren wurden von der Politik die Rahmenbedingungen erweitert, um Vätern die Möglichkeit zu bieten, eine berufliche Auszeit für die Erziehung der Kinder zu genießen. In Südtirol soll beispielsweise das Elterngeld+ einen finanziellen Anreiz für eine Elternzeit des Vaters schaffen.
Die neue Familienstudie des Landes Südtirol hat jedoch gezeigt, dass bisher nur einer von sechs Vätern (15,8%) davon Gebraucht gemacht hat, seine Arbeit zu unterbrechen oder die Arbeitszeit zu reduzieren. In 45,9% der Fälle dauerte die Arbeitsenthaltung dabei keinen Monat. Im Vergleich zum Jahr 2011 ist die Zahl zwar um 7% gestiegen, doch immer noch sind es wenige Väter, die sich eine Familienauszeit nehmen, während Mütter ihre Berufstätigkeit immer noch ein Jahr (53,8%) oder länger unterbrechen.
Anlässlich des diesjährigen Vatertags am 19. März bin ich der Frage nachgegangen, warum das Bild des modernen Familienvaters in den Medien so hochgehalten wird, während die Realität leider immer noch eine andere ist. Liegt es am finanziellen Aspekt?
Denn laut Studien verdienen Männer immer noch mehr als ihre Frauen (mehr dazu bald in unserem Beitrag zum Equal Pay Day). Oder sind die Arbeitgeber gefordert, über zeitgemäßere und flexiblere Arbeitszeitmodelle nachzudenken? Ich habe mit Günther Lechner aus Jenesien gesprochen; einem jener Väter, die Elternzeit genommen haben.
Der Papa in Elternzeit?
Günther arbeitet hart. Mit seiner Frau Maria und seiner „Lausgitsch“ Eva lebt der 44-Jährige in einem alten, komplett mit Holz vertäfelten Erbhof, der bereits seit mehreren Generationen in Familienbesitz ist. Seine Frau führt das Gasthaus Noafer in Jenesien und arbeitet auf dem elterlichen Bauernhof mit.
„Es gibt nichts besseres als frische Produkte, die am Hof produziert und direkt im Gasthaus verarbeitet werden.“, sagt Maria. „Leider war es mir aber aufgrund dieser Selbstständigkeit nicht möglich, mehr als fünf Monate obligatorische Auszeit zu nehmen“, erzählt sie weiter.
Günther sitzt währenddessen nach getaner Arbeit mit seiner Tochter (4) in der Stube und blättert im Kinderbuch „Wir sind jetzt Vier!“. Über den beiden hängt ein großes Kruzifix, links und rechts davon Darstellungen von Maria und Jesu mit einem von Dornen umrankten Herz in der Hand. „Man muss Vätern mehr zutrauen. Männer machen zwar vieles anders – deshalb aber nicht falsch“, ergänzt der leidenschaftliche Papa, bevor wir mit dem Interview beginnen.
Günther, du warst im Service angestellt und hast 7 Monate Elternzeit genommen. Erzähl‘ uns bitte ein wenig davon!
Ich war im Betrieb meiner Frau beschäftigt und habe die erste Elternzeit genommen, als unsere Tochter Eva acht Monate alt war – bis zu ihrem 1. Geburtstag. Eva wurde in dieser Zeit immer mobiler und während sie bisher immer bei uns im Betrieb dabei war, schien jetzt eine Betreuung Zuhause einfacher. So entstand damals die Idee und arbeitstechnisch war es im Winter möglich, dass ich nicht arbeite, da wir in dieser Zeit weniger Gäste im Gasthaus bewirten. Freunde, die auch Elternzeit genommen hatten, haben mich darin bestärkt.
Obwohl ich von Anfang an tagtäglich unsere Tochter mit betreut habe, hatte ich keine Vorstellung davon wie es sein würde, tagsüber alleine für sie zu sorgen. Was man bisher im Team gemeistert haben, musste ich nun alleine schaffen. Ich habe mich sehr bemüht, gesund zu kochen. Habe mich, als Eva krank war, mit Globuli auseinander gesetzt und sie am Tisch mit Brei gefüttert. Ich war aber sehr froh, abends nicht die alleinige Verantwortung für unsere Tochter tragen zu müssen, auch wenn die Tage immer schneller vergingen.
Als Fazit kann ich sagen: Gerade so ein kleines Kind zu versorgen, welches sich noch nicht verständigen kann, ist schwierig. Dennoch habe ich im Winter darauf noch einmal drei Monate Elternzeit genommen, vom 20. Monat bis kurz vor Eva’s 2. Geburtstag. Im zweiten Winter war alles einfacher – aber auch intensiver, weil sie mehr Aufmerksamkeit eingefordert hat und nur Spaziergänge nicht mehr ausreichten.
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Außerdem war in dieser Phase das Sauberwerden ein Thema. Ich habe mir diese Aufgabe sehr zu Herzen genommen – und nehme es immer noch. Doch die Verantwortung wiegt jetzt weniger schwer. Ein Vater, der alles lockerer sieht, kann aber vermutlich leichter damit umgehen.
Maria hört unserem Gespräch zu, während die kleinen Eva ihren wachsenden Babybauch streichelt. Sie verrät, dass im Juni das zweite Kind kommt. Ein neues Projekt und eine Umstellung, die vor der Familie liegt.
Günther, wirst du auch das Geschwisterkind wieder betreuen?
Wir werden sehen. Die Situation ist jetzt eine andere: Zum einen hätte ich die Verantwortung für zwei Kleinkinder und weiß nicht, ob ich das stemmen kann. Zum anderen habe ich damals noch im Service gearbeitet. Heute bin ich der Verantwortliche in der Küche und es ist nicht mehr so einfach, einen Ersatz für die Elternzeit zu finden.
„Sie wollen, aber sie können nicht“ monierte die BLICK kürzlich und gab zu bedenken, „Wirtschaft und Familienleben folgen einer komplett gegensätzlichen Logik. Hier zählen das Kosten-Nutzen-Prinzip und Profitdenken, dort emotionale Zuwendung und Empathie.“
Die NZZ schrieb „gesellschaftlicher Wandel ist nicht mit gut gemeinten, populistischen Geschenk-Aktionen zu erzwingen“. Und eine Studie des Familien- und Sozialforschers Wassilios E. Fthenakis gibt der Mutter die Schuld: „Fast jede fünfte Frau blockiert das väterliche Engagement im Familienleben (Maternal Gatekeeping).“ Sie alle sind auf der Suche nach einer Antwort, warum Väter – trotz der Möglichkeit – immer noch (zu) wenig Anspruch von ihrer Elternzeit nehmen.
Günther, warum nehmen immer noch so wenig Väter Elternzeit. Was ist Ihre größte Angst?
In unserem Umfeld kenne ich einige Väter, die Elternzeit genommen haben. Ich kann also nicht bestätigen, dass es wenige Männer sind. Ich denke, viele Väter sind Unternehmer und selbstständig. Ein Angestellter tut sich einfacher mit der Elternzeit.
Wenn es eine „Angst“ gäbe, dann die vor der alleinigen Verantwortung oder dem Alleinsein und mit keinem Erwachsenen kommunizieren zu können. Weil Eva in der ersten Elternzeit so klein war und noch nicht sprechen konnte, hat es sich für mich angefühlt, als würde ich einen neuen Beruf erlernen. Vielleicht scheuen davor auch einige zurück.
Hast du dich in der Elternzeit verändert? Oder eure Vater-Tochter-Bindung?
Es ist schwierig zu sagen, ob sich unsere Vater-Tochter Beziehung durch die Elternzeit geändert hat, da ich es nur so kenne. Ich war danach – und bin es bis heute – engagierter. Ich habe mich automatisch beim Windel wechseln und Schlafenlegen beteiligt, da ich schon mal die Verantwortung übernommen hatte. Für mich war es eine intensive Zeit mit vielen neuen Kapiteln: Dem Wegziehen von meinem Heimatdorf, dem Mitarbeiten im Betrieb und dann auch das Erziehen unserer Tochter.
Danke für das Gespräch Günther!
Es gibt sie also, die Eltern, die sich Arbeit und Kindererziehung teilen. Egal aus welchen Gründen Väter heute schon Elternzeit nehmen, ich hoffe, der gesellschaftliche Wandel geht weiter in diese Richtung. Für meine Töchter, die heute ihren modernen Papa feiern, wünsche ich mir ein neues Rollenverständnis in der Gesellschaft.
Unsere Söhne und Töchter sollten künftig als Elternpaar gesehen werden – und nicht als Mutter und Vater. Dann ist es egal, welches Geschlecht ein Bewerber auf eine Arbeitsstelle hat. Es ist egal, ob ein Anwärter auf eine Führungsposition Mann oder Frau ist.
Und es ist egal, ob eine Mama oder ein Papa Elternzeit in Anspruch nehmen. Die Aufteilung der Rollen sollte zur Selbstverständlichkeit werden – Muttersein nicht marginalisiert und Vatersein nicht glorifiziert werden: Ängste vor beruflichen Nachteilen durch die Elternzeit oder Teilzeit gibt es dann nicht mehr. Und wenn Mama und Papa beide in Teilzeit arbeiten und sich gleichermaßen um die Kinder kümmern, schließt sich auch langsam die Gehaltslücke zwischen Mann und Frau im Berufs- und späteren Rentnerleben.
Mit diesem Wunsch – und einem Zitat – möchte ich diesen Beitrag abschließen:
„Was wir als Diagnose festhalten sollten, ist,
Prof. Dr. Gerald Hüther, Neurobiologe und Hirnforscher
dass die alten Rollen der Männer weg sind
und neue haben sie noch nicht.“
Quellenangaben:
Trendstudie: Neue Väter der Uni Göttingen
Familienstudie Südtirol 2016
Artikel auf Blick.ch