Im November 2018 hat die Südtiroler Landesregierung neue Richtlinien für die Finanzierung von Kita- und Tagesmutterdiensten beschlossen. Damit wurde die finanzielle Unterstützung der Einrichtungen für Urlaubs- und Krankheitszeiten von Kindern angepasst. Nun gehen Eltern auf die Barrikaden.
In den letzten Tagen hat ein Thema die Medien dominiert: Die neuen Richtlinien für die Finanzierung der Kita und Tagesmütter, die einige Änderungen der finanziellen Beiträge von Seiten des Landes für die Trägerschaften im Falle von abwesenden Kindern vorsehen.
Die Tageszeitung hat getitelt „Aufstand der Eltern – Müssen uns wehren“, die Dolomiten schreibt „Widersinn: Große bei Mami, Kleine in Kitas – Kleinkindbetreuung: Widerstand gegen Neuregelung“ und auch italienische Tageszeitungen wurden auf die Debatte aufmerksam und titelten in der Ausgabe von Freitag „Familie penalizzate: Bimbi tenuta a casa dalla Tagesmutter? Ora si paga lo stesso!“. Aber worum geht es?
Mehrkosten für Urlaub und Krankheit
Eltern wehren sich mit einer Petition gegen einen Beschluss der Landesregierung, der am 01.01.2019 in Kraft getreten ist. Dieser sieht einige Änderungen der Tarife von Kita und Tagesmutter-Diensten vor. Konkret bedeutet das: Die Kosten für Hygieneartikel und das Essen sind künftig im Preis inkludiert, doch der zu zahlende Tarif im Falle von Krankheit, oder Abwesenheit bei Urlaub wurde abgewandelt. Die Elterninitiative Südtirol fordert nun eine sofortige Aussetzung des Beschlusses und pocht auf neue Verhandlungen und mehr Mitsprache!
Zu Hause bleiben wird teuer!
Wer sein Kind bisher in einer Tagesstätte betreuen lies, hatte Anrecht auf 3 Wochen kostenfreien Urlaub. Das bleibt so! Was sich ändert, ist der von Eltern zu zahlende Betrag, sollten die Kinder über diese 3 Wochen hinaus weiterhin zu Hause bleiben.
Wurde hierfür bisher 0,90 – 3,65€ pro Stunde fällig, erhöht sich dieser Betrag nun auf den konventionellen Höchststundentarif von bis zu 14,00 € je Stunde. Mit dem Beschluss der Landesregierung wurde festgelegt, dass die sonst geltende Tarifbegünstigung nur noch für Zeiträume gilt, in denen der Dienst in Anspruch genommen wird. Die Beiträge von Gemeinden und Land, die ansonsten die Zusatzkosten von 6,55 – 13,10€ pro Stunde und Kind übernehmen, entfallen bei Überschreiten des vorgesehenen Maximalurlaubes.
„Der finanzielle Druck und die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen vielen Familien keine echte Wahlfreiheit zwischen den Betreuungsformen, was sicherlich nicht zum Wohle des einzelnen Kindes ist“
KFS-Präsidentin Angelika Mitterrutzner
Große Unterschiede zwischen den Einrichtungen
Eltern sind bestürzt über den kurzen Zeitraum, den ihre Kleinkinder im Jahr zur Ruhe kommen sollen. Arbeitnehmern stehen im Normalfall 4 – 6 Wochen Urlaub pro Jahr zu, Schul- und Kindergartenkinder profitieren von ganzen 17 Ferienwochen.
Kita Kinder sollen künftig zusätzlich zu den 3 Wochen nur noch jene Tage unbezahlt zu Hause bleiben können, an denen die Einrichtung geschlossen bleibt. Dieser Zeitraum ist von Trägerschaft zu Trägerschaft sehr unterschiedlich: Während einige Kindertagesstätten nur zusätzliche 5 Tage im Jahr geschlossen bleiben, sind andere 2 weitere Wochen geschlossen. Wer sein Kind bei einer Tagesmutter unterbringt, kann mit bis zu 6 weiteren Urlaubswochen rechnen, die der Tagesmutter zustehen.
Damit ergibt sich eine ungewöhnliche Situation für Eltern: Je nachdem, für welche Einrichtung sie sich entscheiden, können sie 4 Wochen oder bis zu 9 Wochen mit Ihren Kleinkindern Zuhause verbringen oder in den Urlaub fahren. Wer den vorgesehenen Zeitspanne überschreitet, zahlt für eine zusätzliche Woche Urlaub (bei 25 Betreuungsstunden) bis zu 350 €.
Ausgenommen von diesem Tarifanpassung sind nur jene Eltern, die Ihre Kinder bei einer Tagesmutter der Sozialgenossenschaft „Mit Bäuerinnen lernen – wachsen – leben“ untergebracht haben, wie diese in einer Aussendung am 02.02.2019 mitteilte.
Kranke Kinder lieber in die Kita?
Die unterschiedlichen Strukturen für die Kleinkinderbetreuung finanzieren sich über die Beiträge von Eltern, vor allem aber durch die finanzielle Unterstützung des Landes und der Gemeinden. Während nun die Landesregierung diesen Beitrag an die Strukturen für nicht in Rechnung zu stellende Betreuungsstunden (Abwesenheit wegen Urlaub) gestrichen hat, soll er im Krankheitsfall weiterhin ausbezahlt werden. Mit einem großen Nachteil:
Wird ab dem dritten Krankheitstag keine Krankenbescheinigung vorgelegt, wird für die restlichen Abwesenheitstage der konventionelle Stundensatz von bis zu 14,00 € pro Stunde in Rechnung gestellt. Bisher wurden die ersten drei Tage gemäß Betreuungsvertrag mit Tarifregelung (0,90 – 3,65 € pro Stunde) in Rechnung gestellt und die darauffolgenden Tage, je nach Struktur, derselbe Tarif oder aber nichts.
Südtirol hat zu wenig Kinderärzte!
Auch Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, eine Krankheitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorzulegen. Das Problem sind allerdings die fehlenden Kinderbasisärzte zur pädiatrischen Betreuung der Kinder. Fehlt jedoch die Bescheinigung von Arzt, wird es teuer! Doch damit nicht genug: Die Elterninitiative beklagt, dass Eltern mit dieser Regelung gezwungen werden, bereits bei einem harmlosen Infekt einen Arzt aufzusuchen.
Die Landesrätin, Frau Waltraud Deeg, begründet diese Kürzung der öffentlichen Beiträge und die damit verbundene Tariferhöhung für Eltern mit den Kosten für dieses flexible System der Kleinkinderbetreuung. In einem Gespräch mit dem ORF sagte Sie:
Ich habe ein sehr flexibles System, dass die Eltern buchen können nach Stunden*. Und dann sollte es so sein, dass ich diese Stunden auch in Anspruch nehme, die ich effektiv brauche. Das ist die Grundidee! Was es keinesfalls sein soll ist, eine Strafe. Davon sind wir weit entfernt. Es geht um eine gute Finanzierung der Dienste, um ein flexibles System und um eine gute Qualität.
Landesrätin für Familie, Waltraud Deeg
*Anm.: Mindestens 12 Stunden/Woche
Petition stellt klare Forderungen
Um ihren Forderungen nachdrücklich Ausdruck zu verleihen, haben sich Eltern zu einer Elterninitiative zusammengeschlossen, die seit 27.01.19 in einer Online-Petition nun 50.000 Unterschriften sammelt. Darin fordert die Elterninitiative:
- sofortige Aufhebung des Beschlusses vom 20.11.2018
- mindestens 6 Wochen kostenfreien Urlaub
- keine Kosten bei Abwesenheit des Kindes aufgrund von Krankheit, sofern ein ärztliches Attest innerhalb von 5 Tagen vorgelegt wird
- die Möglichkeit, Urlaubstage einzeln zu genießen (z.B. für Arztbesuche, bei Todesfall) und zwar ohne vorhergehendes schriftliches Ansuchen
- Neuverhandlungen unter Miteinbeziehung der Eltern und des Betreuungspersonals
- eine einheitliche Regelung für alle Organisationen
- die anfallenden Kosten sollen von der öffentlichen Hand finanziert werden, damit künftig nicht beim Personal oder der Qualität eingespart wird
KFS unterstützt Forderungen!
Der Katholische Familienverband Südtirol unterstützt die Forderungen der Eltern und fordert zusätzlich Wahlfreiheit für Eltern, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, volle Anerkennung der Erziehungszeiten für die Rente, leistbares Wohnen für junge Familien, Verbesserung der finanziellen Förderungen für Familien und weitere steuerliche Erleichterungen.
Außerdem weist der KFS darauf hin, dass auch die vielen Eltern nicht vergessen werden dürfen, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Diese erhalten weder eine ideelle noch finanzielle Anerkennung ihrer Erziehungsarbeit. Der KFS fordert auch hier neue Rahmenbedingungen, v.a. für die Altersvorsorge.
Allianz für Familie – Kleinkindbetreuung soll kein Luxus sein!
Auch die Allianz für Familie schließt sich in einer Aussendung der Empörung der Eltern an. Christa Ladurner von der Allianz für Familie weist darauf hin, dass einerseits die Kleinsten in die Kita gebracht werden müssen, um Mehrkosten zu vermeiden – und andererseits Kindergärten und Schule im Sommer drei Monate geschlossen bleiben, was Eltern vor große finanzielle Herausforderungen stellt.
Die Allianz für Familie fordert Bildungs- und Betreuungskontinuität für Kinder von 0 bis 14 Jahren, leistbare Kleinkindbetreuung, bessere Entlohnung des Personals in der Kleinkindbetreuung, eine Abkehr vom stundenbasierten Tarifmodell in der Kleinkindbetreuung und eine Annäherung an das Tarifmodell des Kindergartens.
Quellenangabe:
Stol.it „Mütter gegen Kita-Aufpreise“
KFS unterstützt Petition der Elterninitiative
Eltern zahlen „Strafe“, wenn ihr Kind der Kita fernbleibt