Heute habe ich Sehnsucht.
Es ist eine Sehnsucht, die ich bisher noch nie hatte, weil ich das, wonach ich mich sehne, noch nie vermissen musste.
Ich sehne mich nach der Freiheit, Orte aufzusuchen, die mich erden und ausloten.
Wälder, ja, tiefe, große Wälder…
….das Knistern unter meinen Füßen, satte, tannengrüne Luft, das Rauschen der Bäume, das stille Flüstern der Blätter im Wind.
Da gibt es Stellen im Wald, da riecht es nach Glück, wenn die Sonne an Lichtungen auf die pechigen, alten Stämme scheint. Im Sommer bei großer Hitze werd ich beinahe trunken davon…
Oder im Wald sein nach einem Regen. Das Moos trieft vor Glück, so sehr liebt es das süße Nass. Und es steckt mich an.
Ich schmecke die feuchte Erde, ein so vertrauter Geruch, so belebend und ewig.
Zu jeder Zeit meines Lebens ist der Wald mein Zufluchtsort.
Im Sommer lieb ich es im Schatten alter Olivenbäume zu liegen. Olivenbäume spenden eigentlich nicht richtigen Schatten. Es ist vielmehr ein Lichtspiel silberner Blätter und Äste im Glitzern der Sonne. Keine Lichtshow der Welt übertrifft diesen Glanz.
Und rundherum wäre nun Frühling.
Im zögerlichen Grün sprießen die ersten Blumen und an den jungen Obstbäumen abgöttisch schöne Blüten….
Ich habe so viele Sehnsuchtsorte, wo ich glückliche Zeit entdecke. Und immer sind sie von Bäumen umgeben, mal von Erlen, zarten Birken oder Linden, dann wieder von mächtigen, hohen Fichten, Tannen oder alten, weisen Kastanienbäumen. Ich wiege mich in deren Schutz und werde immer neu, ganz egal, was gerade in meinem Leben passiert.
Der größte Sehnsuchtsort ist jedoch der Wald vor dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Da riecht die Luft nach Glück, nach Erinnerungen, nach heiler, unbeschwerter Zeit.
Im Sommer wachsen dort mitten im Wald Blumen, die kaum noch einer kennt – von wilden, dunkelroten Akeleien bis hin zu uralten, altmodischen Blumen, deren Namen ich bis heute nicht weiss. Wilde Lupinen säumen die Waldwege, Orchideen….ja, Bienen können hier noch bummelwitzig sein.
…und wenn man weiter durch den Wald streift, gelangt man an einen Wildbach, der weit im Tal drinnen entspringt. Dort sehne ich mich so sehr hin. Ich geh so nah ans Wasser ran, bis mir die Gischt ins Gesicht spritzt. Ich schließe gerade die Augen und bin für einen Augenblick dort. Die Luft schmeckt nach Freiheit, nach Ursprünglichkeit, nach Leben. Ich forme meine Hände zu einem Gefäß und schöpfe mir Wasser in den Mund, schlürfe das Glück wie Gold.
Beim Entdecken meiner geglückten Zeit steh ich immer im Wald, steh ich immer auf Wurzeln, umgeben von Bäumen.
Gottseidank hab ich diese Bilder und Emotionen so fest eingeschlossen. Wenn ich diese Tür dorthin öffne, ist alles da, ganz nah.
Ja…und heuer hab ich die Veilchen versäumt…
Ich hoffe so, die Maiglöckchen warten auf mich….oder vielleicht lege ich mich im Juni auf eine Wiese und Junikäfer kriechen mir übers Gesicht.