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Familienalltag / Finanzen

Gerechte Familienarbeit und Mental load

Familienarbeit gerecht verteilen Mental load Falle

Die Corona-Krise hat in vielerlei Hinsicht die bestehenden gesellschaftlichen Ungleichheiten verstärkt. Insbesondere hat sie verdeutlicht, dass Frauen immer noch den größten Teil der Care-Arbeit übernehmen. Es ist beinahe selbstverständlich, dass Mütter ihr berufliches und soziales Leben zugunsten der Familie, insbesondere der Kinder, opfern, wenn es erforderlich ist. Während des Lockdowns hatte die Pandemie unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag von Müttern in ganz Europa. Die Schließung von Kitas, Schulen und öffentlichen Einrichtungen sowie die Kontaktsperre führten zu tiefgreifenden Veränderungen im Familienleben.

Die bereits bestehenden Belastungen für Mütter, insbesondere in Bezug auf den mentalen Arbeitsaufwand ((Stichwort: Mental load), wurden plötzlich durch zahlreiche zusätzliche Sorgen verstärkt. Mütter übernahmen einen Großteil der neuen Aufgaben, häufig auf Kosten ihrer eigenen Regenerationsbedürfnisse. Aus dieser Krise habe ich eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Mütter müssen sich um ihr eigenes Wohlbefinden kümmern und verstehen, dass Selfcare und Me-Time viel mehr bedeuten als nur eine Gesichtsmaske und ein ausgiebiges Bad. Ein Bericht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eigentlich Mental Load?
Gender Care Gap
Die Folgen des Mental Load
Was können wir tun?
Es ist Zeit, zu reden!

Was ist eigentlich “Mental Load”?

Seit es Bücher gibt wie “Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles! – Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen”* und “Raus aus der Mental Load-Falle: Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt”* ist der englische Begriff “Mental load” in aller Munde.

Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff “im deutschen Sprachraum vorrangig die (psychische) Belastung, die durch das Organisieren von Alltagsaufgaben entsteht, die gemeinhin als nicht der Rede wert erachtet werden und somit weitgehend unsichtbar sind. […] Über die Summe der praktischen Aufgaben hinaus beschreibt Mental Load die Last der alltäglichen Verantwortung für Haushalt und Familie, die Beziehungspflege sowie das Auffangen persönlicher Bedürfnisse und Befindlichkeiten.”

Weil diese Beschreibung aber gar nicht so einfach zu verstehen ist, möchte ich hier eine Erklärung aufgreifen, die  Barbara Schrammel und Lena Neuber von “Frauen Beraten Frauen” im Große-Töchter-Podcast gegeben haben:

Bei Mental Load geht es grundsätzlich einmal um Familienarbeit, also um Care-Arbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuungsarbeit, die in der Familie anfällt. Es geht aber nicht um die Ausführungen dieser Tätigkeiten, sondern es geht um alles was relativ unsichtbar dahinter steckt. Es geht darum überhaupt auf dem Schirm zu haben, dass bestimmte Tätigkeiten zu tun sind, daran zu denken und es auch zu planen zu organisieren – und sich Verantwortlich dafür zu fühlen. Das ist die Essenz davon, sich verantwortlich zu fühlen für die Tätigkeiten, die im Familienalltag anfallen. Das ist Mental Load.

Mental Load umfasst folgende drei zentralen Aspekte:

  1. Alle sichtbaren und unsichtbaren Aufgaben, die (in einer Familie) erledigt werden müssen
  2. Der Umstand, dass alles oder der Hauptteil auf einer Person lastet
  3. In der Regel wenig Wertschätzung für diese Aufgaben da sind.

Ein Beispiel gefällig? In dieses wahnsinnige Gedankenpaket, was Tag für Tag (vor allem von Frauen) getragen werden muss, fallen ganz banale Alltagsgedanken wie: Sind die Schuhe wieder zu klein? Wie viel Toilettenpapier haben wir noch? Müssen wir die Betten neu beziehen? Was muss unser Kind eigentlich wieder zur U-Untersuchung?

Zum Mental Load gehört nicht nur, der Termin zur U-Untersuchung wahrzunehmen (Ausführung), sondern wissen, das ein Termin zu machen ist, zu wissen, welcher Termin passt und ihn zu vereinbaren, zu wissen, wo das Gesundheitsbüchlein und der Impfpass des Kindes sind. Auch der Kita oder der Schule muss man Bescheid sagen, dass das Kind zu spät kommt. Es gehört alles in dieses Paket, was zu organisieren und mit zu bedenken ist: Steht eine Impfung an? Wenn ja, wollen wir überhaupt impfen? Und welchen Impfstoff?

Und auch wenn dieser Begriff in erster Linie nicht an ein Geschlecht gebunden ist, so ist es doch so, dass immer noch vor allem Frauen vom Mental Load betroffen sind und sich größtenteils um den Haushalt und um die Kinder kümmern (siehe Beitrag: Braucht es ihn noch, den Equal Pay Day?).

Frauen leisten mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer

Frauen arbeiten immer noch viel häufiger in Teilzeit und tragen mit ihrer unbezahlten Care-Arbeit (Pflege von Kindern und später häufig von pflegebedürftigen Eltern) einen wichtigen Teil zu dieser Gesellschaft bei, ohne dass dies genügend wertgeschätzt wird. Dieses Phänomen wird heute mit dem Begriff Gender Care Gap beschrieben.

Mental-Load-Falle-Familien
© Frolleinmotte.com

Gender Care Gap

Neben dem Gender Pay Gap, der die Lohnlücke zwischen beiden Geschlechtern verdeutlicht, gibt es den Begriff “Gender Care Gap”. Er beschreibt die ungleiche Verteilung kognitiver Arbeit und der Mental Load zwischen Männern und Frauen. Der Hauptteil der Hausarbeit und der Kinderpflege lastet nämlich auch heute immer noch auf einer Person, nämlich der Mutter.

Frauen werden in Deutschland pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit und Ehrenamt auf als Männer (1). Ähnliche Zahlen finden wir auch in Südtirol. Laut ASTAT-Daten wenden Frauen in Südtirol zwischen 10 – 30 Stunden für Hausarbeiten auf. Männer hingegen weniger als 10 Stunden pro Woche.

ASTAT Daten zur Hausarbeit in Südtirol

Auch der Equal Care Day, der alle vier Jahre am 29. Februar stattfindet, macht auf die mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Fürsorgearbeit aufmerksam. Das Datum wurde ganz bewusst so gewählt, dass der Tag nur alle vier Jahre stattfindet. Er ist fast so unsichtbar, wie der Mental Load und symbolisiert gleichzeitig das Verhältnis von 4:1 bei der Verteilung von Care-Arbeit. Männer bäruchten rechnerisch etwa vier Jahre, um so viel private, berufliche und ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr.

Aber was sind die Folgen dieser ungerechten Verteilung?

Die Folgen des Mental Load

Kommen wir noch einmal zum Anfang zurück. Die Corona-Krise hat, wie wir zwischenzeitlich wissen, zu einem enormen Anstieg von Burn-out und psychischen Problemen geführt. Das liegt sicher auch an den andauernden Belastungen durch soziale Isolation und Lockdown, aber auch daran, dass viele Mütter plötzlich neben den alltäglichen Belastungen in der Familie noch weiteren Belastungen ausgesetzt waren.

Dabei ist Mental Load kein individuelles Problem sondern ein gesellschaftliches. So gibt unter anderem das Müttergenesungswerk an, dass in den letzten 10 Jahren die Anzahl der Mütter mit Erschöpfungssyndrom bis hin zum Burnout um 37% gestiegen ist.

Psychische Belastungen bis zum Burn-out

Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Erwerbstätigen im Home-Office mit mindestens einem Kind im Haushalt fühlten sich im März 2021 dieses Jahres von der Coronasituation stark bzw. sehr stark belastet. Im Mai 2020 waren es 45 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Berufstätigen im Home-Office ohne Kinder hatte sich der Belastungsgrad nicht verändert (jeweils 31 Prozent).

Auch die fehlende Anerkennung trägt zu diesem Umstand bei. Und am Ende steht ein tiefes Gefühl von Hilflosigkeit und Resignation.

Geringere Rente bis zur Altersarmut

Doch es sind nicht alleine gesundheitliche Folgen, die der Gender Care Gap und Mental Load mit sich bringen. Die wirtschaftlichen Nachteile für Frauen sind enorm!

Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit, was neben dem geringeren Gehalt durch die Arbeit in schlecht bezahlten Pflegeberufen ein Faktor für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen ist. Das durch die Teilzeitbeschäftigung resultierende niedrigere Einkommen über viele Jahre führt zu niedrigeren Renten. Darauf sind wir bereits in einigen unserer Berichte (Equal Pay Day, Rente für Mütter, Zusatzrente für Mami) näher eingegangen.

Aber was können wir tun, um Frauen zu stärken und letztendlich für gleichberechtigte Chancen von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen?

Was können wir tun?

Lösungen sind nicht einfach und es benötigt eine Veränderung im gesamten Familiensystem. Es braucht ein Umdenken in der Gesellschaft und in der Familie. Wir müssen uns von alten Glaubenssätzen und Vorstellungen lösen. Wir dürfen lernen, uns um uns selbst zu kümmern und uns wichtig zu nehmen. Wir müssen lernen, dass wir uns nicht ständig weiter optimieren müssen und wir dürfen lernen, Verantwortung abzugeben!

Apropos Verantwortung: Während wir beim Kinderschuhe-Kaufen lernen müssen die Verantwortung abzugeben, sollten wir sie in anderen Bereichen wieder an uns nehmen. Damit spiele ich auf die finanzielle Autonomie der Frau an: Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie deine finanzielle Situation ohne Partner aussehen würde, zum Beispiel im Falle einer Trennung? Hast du dir schon einmal Gedanken zur Zusatzrente gemacht? Doch damit möchte ich mich in diesem Bericht heute nicht weiter beschäftigen. Wenn du mehr zu diesen Themen wissen möchtest, dann empfehle ich dir unsere Kategorie “Finanzen” auf dem Blog.

Es ist Zeit, zu reden!

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass sich die Mütter für den Haushalt und die Familien-Organisation verantwortlich fühlen und wie es wirklich um die Gleichberechtigung steht. Daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um über die gesellschaftlichen Probleme zu reden und eine Lösung zu finden!

Es wird bestimmt nicht leicht, aber es muss sich etwas ändern!

Im ersten Schritt können wir überprüfen, wie es um den Mental Load in unserer eigenen Partnerschaft steht. Dabei kann der Mental Load Test von Johanna Lücke (Online zu finden unter feministmotherhood.de) eine Hilfe sein. Auch eine “Mental-Load Map” kann helfen. Notiere dazu die Aufgaben der nächsten drei Tage auf einem Blatt in einem Mind-Map. Danach markierst du all jene Punkte, die dein Partner übernimmt. Ein Beispiel für eine solche Map findest du auf dem Blog von dasnuf.

Gemeinsam eine Lösung finden

Nun kannst du mit deinem Partner darüber sprechen. Und merke dir: Es geht dabei nicht nur darum, wer eine Aufgabe übernimmt, sondern das der- oder diejenige auch die Verantwortung dafür übernimmt und selbstständig an die Aufgabe denkt, ohne erst ermahnt oder daran erinnert werden zu müssen.

Bei diesem Gespräch könnt ihr nun auch eine gemeinsame To-Do-Liste schreiben mit allen Alltagsaufgaben, die erledigt werden müssen. Daneben schreibt ihr wer daran denkt, wer es umsetzt, wie oft es gemacht werden muss und wie lange die Erledigung im Normalfall dauert. Dazu könnt ihr auch Apps wie “WhoCares” (mit Time-Tracking) oder den “Care Rechner” nutzen.

Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles!: Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen*
Viele Frauen und vermutlich alle Mütter kennen den Mental Load: Einkauf nicht vergessen! An den Kita-Ausflug denken! Den Kindergeburtstag planen! Mit jedem Kind wächst das Pensum – und zugleich die Erschöpfung. Aber daran muss sich etwas ändern! Laura Fröhlich gibt in ihrem Ratgeber Tipps, wie wir gemeinsam mit dem Partner neue, faire Lösungen finden.

Vor allem der erste Punkt ist wichtig, denn hier steckt der Mental load. Wenn hier ständig nur dein Namen steht, dann hilft es relativ wenig, wenn in der Hälfte der Fälle bei “Wer setzt es um?” der Name eures Partners steht. Unabhängig davon könnt ihr mit dieser Tabelle berechnen, wer von euch wieviele Minuten pro Woche in Haus- und Care-Arbeit steckt.

Seid ihr zufrieden mit der Verteilung? Dann ist alles gut! Wenn nicht könnt ihr gemeinsam überlegen, wie ihr umverteilt. Und das ist ein Prozess und ihr könnt am besten mit regelmäßigen, wöchentlichen Treffen daran arbeiten. Wie wäre es mit einer gemeinsamen Wochenplanung? Sie kann auch helfen, wenn eure Standards sehr unterschiedlich sind, zum Beispiel wenn einer sehr ordentlich und der andere unordentlich ist.

Bei uns war dies lange einer der Gründe für Konflikte, denn ich habe höhere Ansprüche an Sauberkeit und Ordnung in unserem Haushalt. Und wenn ich die Aufgaben dann nicht selber erledigt habe (und daran gedacht habe), dann hat es eben niemand gemacht. Ohne das sich mein Mann daran gestört hätte. Er hat es zu meinem Problem gemacht, wenn ich mit etwas unzufrieden war. Nun haben wir uns auf einen gemeinsamen Standard geeinigt und wir arbeiten daran, dass mein Mann diesen Standard auch gegen seine eigene Vorstellung und ohne Ermahnung einhält. Aber wo Einsicht besteht, finden sich meist auch Mittel und Lösungen.

Und trotzdem: Ein strukturelles Problem

Doch die gerechte Verteilung innerhalb der Familie ist nicht die alleinige Lösung! Es muss neue Jobkonzepte und auch politische Änderungen geben, die Mütter und Väter einen besseren Rahmen zur gerechteren Verteilung bieten können. Denn Mental Load ist kein Einzelphänomen, sondern ein gesellschaftliches!

Wenn du dich aber in deiner Elternrolle erschöpft und ausgebrannt fühlst und das Gefühl hast, dass der Mental Load auch bei dir eine Rolle spielt, dann kümmere dich gut um dich! Wenn dir das schwer fällt, dann hole dir Unterstützung. Bei einer Freundin oder auch im professionellen Rahmen. Gehe das Thema aktiv an!

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Titelbild: Jonathan Borba on Unsplash

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Das Leben ist ein Abenteuer, aber durch regelmäßiges Yoga und Meditation komme ich mit Mann, Kindern und Hund meistens ganz gut klar. Und wenn ich mal einen schlechten Tag habe, helfen mir meine kreative Ader und das Schreiben. Was macht dich glücklich?

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