Der Sommer ist fast vorbei: „Endlich!“, hört man von viele Eltern in meiner Umgebung, denn die Sommerferien machen den Eltern ganz schön zu schaffen. Urlaubstage sind rar und die Ferien sehr lange – diese Zeit kann kein Elternteil alleine – aber auch zu Zweit – nicht mit dem Jahresurlaub abdecken (zudem können schlecht alle Arbeitnehmer mit Kindern den Sommer über fehlen). Damit habe ich mich die letzten Wochen beschäftigt, eine Umfrage unter Eltern gestartet und einen offenen Brief an unsere Landesrätin verfasst. Alles dazu findest du in diesem Beitrag.
Kinder haben frei – Eltern haben Stress
Sehr geehrte Frau Landesrätin Deeg,
im August ist in der Familienpolitik ja ganz schön viel los – trotz des italienischen „Ferragosto“. Bereits im Juli haben Sie 4.500 Familien mit Fragebögen beliefert – ähm – beglückt, „um die Lebenssituation der Familien in Südtirol genauer zu erheben und um daraus familienpolitische Maßnahmen ableiten zu können“, so in einem Interview. Außerdem haben sie betont, dass das eine konkrete Möglichkeit für Familien sei, ihre Anliegen zu äußern. Ein lobenswerter Ansatz, doch Fragebögen zusenden und von anderen auswerten lassen ist doch einfach! Wie wäre es damit, die Familien in Südtirol hautnah kennenzulernen?
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Ein Offener Brief an unsere Landtagsabgeordnete Frau Deeg Waltraud
Kennen Sie die Facebook Gruppe „Von Mutter zu Mutter Südtirol“? Fast 5000 Mitglieder tauschen sich dort tagtäglich über die Lebenssituation, die Bedürfnisse und Wünsche der Südtiroler Familie aus. Schauen Sie doch einmal dort vorbei, lernen Sie andere Mütter kennen oder bieten Sie einen offenen Videochat an, wo Mütter und auch Väter Ihnen die Fragen stellen können, die ihnen auf dem Herzen liegen und sie in ihrem Familienalltag beschäftigen. Ihre Praktikanten in der Landesverwaltung scheinen ja technisch und digital sehr kompetent zu sein. Das wäre ein großer Schritt nach vorne, denn vor allem wir Eltern – ich zähle da auch dazu – tun uns schwer, Termine wie bspw. Ihre Sprechstunde einzuplanen. Von längeren Autofahrten und quengelnden Kindern in der Sprechstunde mal ganz abgesehen.
Ihr politisches Credo war doch einmal: hinhören, informieren, diskutieren, gemeinsam entscheiden und anpacken, um etwas zu verändern! Genau mit so einem Angebot könnten Sie alles das erreichen. Doch heute soll es um ein anderes Thema gehen, nämlich die Unterbringung unseres Nachwuchses in den Sommerferien.
Elternstimmen zur Sommerbetreuung in Südtirol
Am 9. August haben Sie in der Landesregierung das neue Finanzierungsmodel für die Kleinkindbetreuung genehmigt; und bereits da hat eine Mutter Sie auf Facebook auf dieses aktuelle Thema angesprochen. Sie haben der Mama damals mitgeteilt, dass Sie wissen,
„dass die Sommerferien viele Familien vor große organisatorische Herausforderungen stellen. Sommer- bzw. Ferienbetreuung sind daher ein wichtiger Schwerpunkt in der Familienpolitik. In diesem – jetzt fast schon vergangenen – Sommer hat die Landesregierung die Sommerbetreuungsangebote mit 6 Millionen Euro unterstützt, landesweit wurden rund 260 Projekte für Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 15 angeboten. Außerdem gibt es noch das Angebot der Sommerkindergärten. In 30 bis 40 Kindergärten haben pädagogische Mitarbeiterinnen auch im Sommer für drei bis sechs Wochen Kinder im Vorschulalter betreut. Mir ist klar, dass die Nachfrage nach einer flächendeckenden Betreuung der Kinder im Sommer von Jahr zu Jahr größer wird, wir bemühen uns daher auch darum, die Mittel weiter aufzustocken.“
Schön gesagt! Doch auch in diesem Sommer hatten – trotz der 6 Millionen Euro – 76% der von mir befragten Familien ein Problem mit der Sommerbetreuung ihrer Kinder! Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass kein Arbeitnehmer dieser Welt – egal ob in Vollzeit (23,4% der befragten Personen) oder in Teilzeit (75,6%) – 12 Wochen Ferien am Stück hat bzw. nehmen kann.
Außerdem waren von allen fast 200 befragten Personen nur 10% sehr zufrieden mit aktuellen Situation im Sommer, 14% jedoch sehr unzufrieden (auf einer Skala von 1 bis 5). Und weil wir schon einmal über die moderne Technik und Fragen & Antworten über Videochat gesprochen haben: Es gibt auch andere Möglichkeiten, mit den WählerInnen in Kontakt zu treten.
Ich habe mich, weil ich sehr an dem Thema Sommerbetreuung interessiert bin, einiger Eltern angenommen und habe einen Fragebogen erstellt, den jede Mama und jeder Papa online ausfüllen konnte. Auch das ist eine „konkrete Möglichkeit für Familien, ihr Anliegen zu äußern“. Und das anonym, tagesaktuell und rasch!
Die Ergebnisse dieser kleinen Umfrage, an der etwa 200 Personen teilgenommen haben, sind wirklich erstaunlich und spiegeln eines ganz konkret wieder: ES BENÖTIGT RASCH VERÄNDERUNGEN!
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Umfrage zeigt: Eltern brauchen Oma
Bevor ich nun die Umfrage für Sie zusammenfasse, weise ich darauf hin, dass Sie das komplette Ergebnis dieser Umfrage auch online abrufen können.
Auch möchte ich anfügen, dass sich bei der Umfrage Eltern beteiligt haben, die sich aktuell in dieser problematischen Situation befinden. Aber nicht nur! Auch Eltern, die sich schon vor dem Kindergartenstart Ihres Nachwuchses Sorgen machen, haben sich beteiligt. Sie stellen sich die Frage, wie ihre Berufstätigkeit noch machbar sein wird, wenn die Kleinen von der Kita / Tagesmutter in den Kindergarten wechseln.
Das war auch die Frage einer Mama, die diese Diskussion ursprünglich ausgelöst hat. Und wir alle haben gemerkt, wir sind nicht alleine damit. Ich habe in diesem Sommer entschiede) meine 3jährige Tochter nicht in den Sommerkindergarten zu geben. Zum einen, weil ich es meiner Tochter nicht zumuten möchte (in diesem zarten Alter) ganztags – ohne Möglichkeit einer Abholung mittags (2x wöchentlich) in eine Betreuung zu geben und zum anderen, da es finanziell eine große Belastung für unsere Familie gewesen wäre. Eine Woche im Sommerkindergarten kostet einer Familie nämlich genauso viel, wie ein Monat im regulären Kindergarten. Nun aber zu den Stimmen der Südtiroler Eltern – meine mit eingeschlossen:
Sommerbetreuung auch eine Kostenfrage!
Familien müssen eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft wahrnehmen, schließlich sind die Geburtenraten seit Jahren rückläufig und der demographische Wandel – mit all seinen Nachteilen für künftige Generationen – ist unübersehbar. Gleichzeitig aber fordert auch die Berufswelt immer mehr von Eltern und wir Eltern würden uns wünschen, dass die Landespolitik die Unternehmen und Körperschaften für die Aufgaben der Familie zu sensibilisiert. Egal ob es Familien sind, in denen die Frau mitten im Berufsleben steht (ob nun Voll- oder in Teilzeit) oder Familien, wo die Frau Ihren Beruf für genau diese Familie an den Nagel gehängt hat (zumindest vorübergehend!) oder wo ein Elternteil selbstständig ist.
„Ohne Oma kommen Eltern nicht durch die Sommerferien!“
Diese Sensibilisierung muss vor allem (auch) auf lokaler Ebene stattfinden, um den Familien Hilfestellung durch Region oder Gemeinde zukommen lassen zu können. Dabei ist leicht zu erkennen, dass jede Investition in Familienpolitik in unmittelbarer Konsequenz auch Wirtschaft und Konjunktur belebt! In diesem Sinne sind viele Eltern für den Ganzjahreskindergarten (52,5%, Mehrfachantworten möglich – dazu müssen einige Voraussetzungen geschaffen werden, das würde das Thema dieses Briefes jedoch sprengen), kostengünstigere Ferienbetreuung (48,5%, Mehrfachantworten möglich), verkürzte Sommerferien und mehr Freizeitangebote für Kleinkinder in der eigenen Gemeinde. Es hat sich bei der Befragung nämlich auch eines gezeigt: Wer in der Stadt lebt, hat Glück. Der Rest, und das sind immerhin 72% der deutschen Bevölkerung (aus der Broschüre des Landes: Das ist Südtirol) hat viel Vergnügen beim Rumfahren.
Sommerbetreuung ein Privileg der Städter?
Ganz viele der Mamis müssen in die Stadt fahren, wenn die Kinder einen Ferienkurs besuchen oder die Eltern ein Betreuungsangebot in Anspruch nehmen wollen, während die Eltern auch im Sommer weiter arbeiten. Und dann kann ein Tag schon einmal so aussehen: Der Kurs beginnt erst um 9.00 Uhr und endet bereits um 16.00 Uhr? Macht inkl. Fahrt eine effektive Arbeitsdauer von ca. 5 Stunden am Tag. Da wird sich der Chef aber freuen! Ob sich Mama und Papa den Kurs überhaupt leisten können, ist wiederum eine andere Frage. Bei meiner Befragung hat sich gezeigt, dass Südtiroler Eltern pro Monat und Kind etwa 150 bis über 200€ ausgeben und das kann ganz schön ins Geld gehen. Vor allem wenn nicht nur ein Einzelkind zu betreuen ist. 66,5% der befragten Personen hat auch angegeben, nicht die Möglichkeit zu haben, mehr für die Sommerbetreuung auszugeben. Hier möchte ich ein paar Stimmen von Müttern einfügen zum Thema, Sommerbetreuung in der ländlichen Gegend und den damit einhergehenden Kosten:
„Besonders in kleineren Gemeinden ist das Angebot für die Sommerbetreuung schlecht, diesen Sommer gab es bei uns nicht einmal einen Sommerkindergarten. Aber auch bei der Nachmittagsbetreuung bedarf es mehr. Man sollte die Möglichkeit haben Kindergartenkinder auch zu einer Tagesmutter zu geben zu einem bezahlbaren Stundensatz. Kinderbetreuung endet nicht um 15 Uhr und auch nicht mit 4 Jahren.“
Weitere Elternstimmen zur Sommerbetreuung in Südtirol
Alle weiteren Kommentare, die die befragten Müttern an sie gerichtet habe, übersende ich natürlich mit der Bitte, dass diese auch gelesen werden! Zahlen aus Deutschland belegen übrigens eine ähnliche Situation – und auch dort wird nicht darüber geredet und Eltern werden einfach alleine gelassen. Dort gaben 56 % aller Eltern an, dass sich Beruf und schulpflichtiges Kind schlecht vereinbaren lassen. Fast eine Million Mütter von kleinen Kindern würde einen Job annehmen, wenn eine bessere Betreuung während der Schulferien gesichert wäre; 2,3 Millionen Mütter würden auf Vollzeit aufstocken – wenn sie die Kinder versorgt wüssten. Die Zahlen belegen: Dieser Zustand ist ein Notstand – und eine Mütter-Berufs-Verhinderungspolitik (aus der Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Zur Vereinbarkeitssituation von Eltern und Schulkindern“, Juni 2011). Und wäre es, vor allem wenn man unter anderem die unsichere Rente künftiger Generationen bedenkt, nicht sinnvoll, wenn mehr Mütter wieder ins Berufsleben einsteigen könnten.
Wo bleibt die Familienfreundlichkeit in Südtirol?
Um wieder zum Thema zurück zu kommen: In den Südtiroler Gemeinden soll und muss dringend ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Kinder‐ und Familienfreundlichkeit ein wesentlicher Standortfaktor für zukunftsfähige Gemeinden ist. Dasselbe gilt für Unternehmen – ganz unabhängig von der Zertifizierung als familienfreundliches Unternehmen (Audit familieundberuf). Mitarbeitende, die Beruf und Familie gut vereinbaren können, sind leistungsfähiger und motivierter, weil sie von Unternehmen wertgeschätzt werden – das haben schon einige Studien gezeigt. Außerdem trägt genau das auch zu einer besseren Lebensqualität in der Familie bei! Und unsere Eltern haben doch in den letzten Jahren schon so viel geleistet, warum müssen 67% der Großeltern die Sommerbetreuung der Enkelkinder übernehmen? Dies natürlich vollkommen kostenfrei – den weder Großeltern, noch Eltern, werden für die eigene Betreuung Ihrer Kinder in irgend einer Art und Weise entlohnt!
Ein trauriges Bild, das sich hier zeigt, denn Eltern könnten so viel besser für Ihre Kinder sorgen als zum Teil unausgebildete Praktikanten in der Sommerbetreuungsstätte! Das zeigt sich auch an der Zufriedenheit der Eltern, die eine Sommerbetreuung in Anspruch genommen haben (meistens ist es dann auch nicht nur ein Angebot, sondern immer mehrere), mit eben dieser! 30% der von mir befragten Eltern wünschen sich besser ausgebildetes, pädagogisches Betreuungspersonal. Doch der größte Wunsch ist der, nach einer flexibleren Betreuung und größeren Unterstützung der Eltern.
Auch Pädagogen macht der lange Sommer zu schaffen
Die Schulpause im Sommer macht auch Pädagogen zu schaffen: Nach den so langen Sommerferien haben viele Schüler den Stoff wieder vergessen. Auch Bildungsforscher haben diesen sog. Ferieneffekt untersucht. Die Metastudie eines Teams um dem US-Wissenschaftler Harris Cooper zeigte Mitte der 90er Jahre: Das Sommervergessen gibt es! Vor allem im Bereich Mathematik, im Lesen und Schreiben fällt der Ferieneffekt nicht so groß aus.
Ein weiteres Ergebnis: Je höher die Klassenstufe, desto größer ist der Wissensrückgang in der schulfreien Zeit. Wäre also eine bessere Aufteilung mit einer Verkürzung der Sommerferien eine Lösung, liebe Frau Deeg? Das könnten sich immerhin 63% der befragten Eltern vorstellen. Damit, als abschließende Worte, möchte ich Ihnen ans Herz legen: Sprechen Sie mit den Eltern! Einige wären gerne dazu bereit, eine Arbeitsgruppe zu bilden und gemeinsam mit Ihnen an Lösungsvorschlägen für diese Problematik zu arbeiten! Auch die Initiative für Vereinbarkeit von Beruf & Familie in Südtirol kann ein kompetenter Ansprechpartner sein. Ich möchte Sie deshalb in Ihrem Amt als Landesrätin – vor allem aber von Mutter zu Mutter bitten: Setzen Sie sich mit Elan und Entschiedenheit für eine bessere Sommerbetreuung (für Eltern, die diese benötigen) ein! Und unterstützen Sie Eltern und Müttern (nicht nur Väter, wie unlängst mit dem Familiengeld+) auch in dem Vorhaben, Ihre Kleinkinder selber Zuhause zu betreuen. Der momentane Kurs schadet leider den schwächsten und unschuldigsten in unserer Gesellschaft, unseren Kindern!
Herzlichst
Nachtrag:
Mit großer Freude habe ich ein Antwortschreiben von Frau Deeg entgegen genommen. Da der offene Brief an unsere Landesrätin ein gemeinsamer Brief von uns Eltern war, möchte ich auch euch allen den Antwortbrief unserer Familienlandesrätin, Frau Waltraud Deeg, zur Verfügung stellen.
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