Wer in diesen Tagen durch die die Gassen von Brixen oder Bozen läuft, begegnet ihnen überall: Den roten Einkaufstaschen mit der Aufschrift „Equal Pay Day“. Doch braucht es ihn noch, den internationalen Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen, der erstmals 1966 in den USA ins Leben gerufen wurde? Ein Bericht.
Der Equal Pay Day in Südtirol
In diesem Jahr findet an diesem Freitag, 22. April 2022 der 11. Equal Pay Day in Südtirol statt. Dieser Tag symbolisiert jenen Tag, bis zu dem eine Frau ohne Entgelt arbeitet, während der Mann in der gleichen Position seit dem 1. Januar für seine Arbeit bezahlt wird.
Der Equal Pay Day soll dazu beitragen, auf das Lohngefälle, den sogenannten Gender Pay Gap aufmerksam zu machen, um dieses langfristig abzubauen. Schließlich zeigen aktuelle Daten des ASTAT, dass Frauen in Südtirol immer noch im Durchschnitt 17% weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen.
Wie hoch sind die Durchschnittsgehälter?
In der Provinz Bozen zum Beispiel liegt das jährliche Durchschnittsgehalt 2021 im Privatsektor bei circa 27.000 Euro, bei Frauen bei etwas über 16.000 Euro. In der Provinz Trient, das insgesamt eher niedrigere Löhne aufweist (ähnlich wie in ganz Italien), sind die Werte ähnlich. In Europa spricht man von einem Lohnunterschied von 14, 1% zwischen Frauen und Männern in Vollzeit. Mit 17 Prozent liegt Südtirol somit also unter dem europäischen Durchschnitt.
Diese Unterschiede finden sich auch im Öffentlichen Dienst wieder, wo Frauen italienweit etwa 28.000 Euro im Jahr verdienen, die Männer hingegen 38.000 Euro. In Südtirol sind die Löhne zwar höher, doch die Ungleichbehandlung bleibt deutlich bestehen: 45.000 Euro für die Männer gegenüber 31.000 Euro für ihre Kolleginnen. Die Corona-Pandemie hat diese geschlechterspezifische Lohnlücke noch verschärft.
Zum besseren Verständnis der Situation hat die Gender Pay Gap Statistik in Deutschland folgendes errechnet:
Mann kann 100 Minuten eher Feierabend machen als Frau – und hat dafür das gleiche Geld bekommen.
Da in Deutschland das Gefälle aktuell bei 21% liegt, wären dies in Südtirol umgerechnet etwa 82 Minuten. Bei einem 8 Stunden Tag und einem Arbeitsstart um 9 Uhr, kann ein Mann 16.10 Uhr den Stift fallen lassen, eine Frau erst 17.30 Uhr.
Dazu kommt, dass aktuell leider immer noch Frauen, auch nach der Arbeit, den größeren Teil der Haushaltsaufgaben und bei der Kindererziehung übernehmen. Männer arbeiten weniger als 10 Stunden pro Woche im Haushalt, Frau hingegen zwischen 10 und 30 Stunden.
Warum gibt es ein Lohngefälle zwischen Frau und Mann?
Für die Einkommensunterschiede gibt es verschiedene Gründe:
- Frauen nehmen häufiger für die Familie eine Auszeit vom Berufsleben
- Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit
- Führungspositionen werden häufiger mit Männern besetzt
- Frauen wählen häufiger schlechter bezahlte Berufe (Tagesmutter, Pflege etc.)
- Frauen führen die Gehaltsverhandlungen anders als Männer
Laut aktuellen Daten des ASTAT sind dabei die Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann in jenen Branchen besonders groß, wo die Verdienstmöglichkeiten am höchsten sind, z.B. im Finanz- und Versicherungswesen oder Anwaltswesen. Dieses Lohngefälle und das geringere Einkommen von Frauen wirkt sich auch langfristig auf sie aus und führt zu einer geringeren Rente.
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Lohnlücke ist Rentenlücke
In den vergangenen Jahren wurde einige Bemühungen angestellt, um das gesellschaftliche Umdenken voranzubringen und das Gefälle abzubauen . Der Equal Pay Day ist nur eine jener politischen Maßnahmen. Leider ist die Ungleichheit trotz allem in den letzten Jahren (Einführung des Initiative in Südtirol 2010) nicht kleiner geworden. Das führt dazu, dass Frauen häufiger als ihre männlichen Kollegen im Alter von Altersarmut bedroht sind.
Frauen erhalten laut dem Sozialfürsorgeinstitut INPS durchschnittlich fast nur halb so viel Altersrente wie Männer (775 € anstatt 1499 €), wobei 76 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer eine monatliche Rente unter 1000 € erhalten.
Renten über 2000 € erhalten 25 Prozent der Rentner und fünf Prozent der Rentnerinnen. Um auf die ungleiche Rentenbehandlung zwischen Frauen und Männern aufmerksam zu machen, wurde der „Equal Pension Day“ ins Leben gerufen.
Neben diesen Unterschieden kommt hinzu, dass in Südtirol aktuell nur 65,9% der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren erwerbstätig sind, während es bei den Männern 79,8% waren. Zusätzlich arbeitet jede zweite erwerbstätige Frau (46,6%) in Teilzeit, bei den Männern sind es nur 9,7%.
Das liegt vor allem daran, dass ein großer Teil der Care-Arbeit bei den Frauen liegt: Haushalt und Kinder, Erziehung und Pflege. Wenn Frauen dann für diese Arbeit im Berufsleben einen Schritt zurückgehen, dann ziehen sie nicht nur in Sachen „Me-Time“, sondern auch finanziell den Kürzeren – obwohl sie eigentlich in Summe mehr Stunden leisten als die Männer.
HeforShe: Transparenz gewinnt
2019 stand der Equal Pay Day übrigens unter dem Motto „Transparenz gewinnt“. Und Transparenz ist immer noch sehr wichtig und einer der Dinge, die zu einer gerechten Verteilung führen könnte.
In Südtirol ist das Thema Gehalt tabu, denn „Über Geld spricht man nicht!“ In Schweden hingegen – und in vielen Großkonzernen wie Google oder Einhorn – ist es längst normal, dass die Gehälter der Mitarbeiter offenliegen. Ziel ist es zum einen, mehr Vertrauen zu schaffen und zum anderen, den einzelnen Mitarbeiter bei Gehaltsverhandlungen zu stärken, da alle transparenz auf dieselben Daten zurückgreifen können.
Deshalb sollten wir Frauen über unseren Schatten springen und über Geld reden: Nur so können wir ein faires Gehalt einfordern, die Haushaltsführungskosten gerecht aufteilen und damit die finanziellen Möglichkeiten der Familie durchblicken. Wenn du mehr zum Thema wissen möchtest, schau dich in unserer Kategorie „Finanzen“ um.
Für Transparenz und gleiche Bezahlung setzen sich, seit der „HeforShe“ Kampagne der UN Women Solidaritätsbewegung, auch weitere männliche Führungskräfte in Ihrem Unternehmen ein: Das führende französische Hotelunternehmen Accor beispielsweise, dass für alle seine 180 000 Beschäftigten für das Jahr 2020 die gleiche Bezahlung erreichen will. Diese Initiative basiert dabei auf einer simplen Idee: Es ist viel bedeutender, was wir an Gemeinsamkeiten haben, als das, was uns voneinander trennt. Uns definiert letztendlich nicht unser Geschlecht, sondern unser gemeinsames Menschsein!
Was denkst du über den Equal Pay Day?